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Am 10. April 2019 ging Amal, Hamburg online. Seither informiert die Nachrichtenplattform tagesaktuell über alles, was in Hamburg los ist. Neben Nachrichten gibt es Reportagen, Interviews und Hintergrund zum aktuellen Geschehen in der Stadt. In Kooperation mit dem Abendblatt ist aus einem kleinen Projekt eine aktive Redaktion geworden, die inzwischen rund 11.000 Araber, Afghanen und Iraner in der Hansestadt erreicht.

Omid Rezaee, 31, aus dem Iran

Amal in Hamburg aufbauen? Das ist eine unmögliche Mission, dachte ich, als klar wurde, dass wir das zweisprachige Nachrichtenportal, das es seit 2017 in Berlin gibt, auch in Hamburg auf die Beine stellen konnten. Und das mit nur vier Redakteuren und Redakteurinnen. Doch die Mission ist geglückt.Zuvor hatte ich zwei Jahre bei Amal, Berlin! gearbeitet. Jetzt erklärte ich mich bereit, für den Aufbau der Hamburger Redaktion an die Elbe zu ziehen. Mich reizte die Mission Impossible. Mit so wenig Personal eine Redaktion zu gründen war ganz schön komplex. Bei Amal, Hamburg! begegnen sich heimatlose Journalisten und Journalistinnen, die aus dieser Stadt eine Heimat für sich und gleichzeitig für ihre Landsleute machen wollen. Auch privat musste ich neu anfangen, ich verabschiedete mich vom etablierten Leben im coolen Berlin. Insofern war für mich der Anfang von Amal, Hamburg! eigentlich ein erneuter Versuch, eine Heimat zu finden. Ein Versuch, der nicht nur mir gelungen ist, sondern innerhalb eines Jahres auch einer großen Leserschaft bei ihrer Orientierung in der Hansestadt geholfen hat.

Mutaz Enjila, 44, aus Syrien

Unsere Leser wollen wissen, was aktuell los ist. Sie interessieren sich für die Politik von Senat und Regierung, für Kultur und Themen rund um Flucht und Asyl. Ihnen ist wichtig, dass die Informationen richtig sind, und dass alles Wichtige auch bei ihnen ankommt.Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt bei unserer Arbeit: Das ist die Interaktion mit den Leserinnen und Lesern. Über Facebook sind unsere Leser ständig mit uns im Austausch. Sie schreiben zum Beispiel, wenn ihnen eine Fotostrecke besonders gut gefällt, und sie freuen sich über Tipps zu Kultur-Events. Sie weisen die Redaktion auch auf Veranstaltungen hin – auf die arabische Buchmesse zum Beispiel oder auf eine schöne Ausstellung. Jobmessen, gemeinsame Aktivitäten, Freiwilligen-Arbeit sind andere Themen, die Amal ankündigt und über die die Redaktion berichtet.Jedes Jahr im Herbst finden in Hamburg die arabischen Kulturwochen statt. Diesmal war ich als Amal-Reporter immer mit dabei. Dieses Festival bringt die Kulturen der arabischen Länder zusammen. Wir haben darüber viele interessante Interviews, Berichte und Fotostories gemacht. So wächst ein Netz aus sozialen Beziehungen.Wir glauben, dass sich arabisch sprechende Menschen durch das, was wir auf Amal schreiben, in Hamburg mehr zu Hause fühlen. 

Nilab Langar, 29, aus Afghanistan

Die Corona-Krise zeigt besonders deutlich, welche Rolle Amal inzwischen in Hamburg und Berlin spielt – als das einzige Lokalmedium, das tagesaktuell auf Arabisch und auf Dari/Farsi informiert. Zu unserer Zielgruppe gehören Asylbewerber und Neuangekommene. Vielen fällt es schwer, sich in ihrer Muttersprache zu informieren. Aber dass auch sie gut informiert sind, ist jetzt noch wichtiger als sonst – das Virus trifft alle, und nur wenn alle mitmachen, lässt es sich vielleicht noch stoppen.Seit Beginn der Corona-Krise arbeiten wir bei Amal mit Hochdruck. Wir berichten, wie sich das Virus ausbreitet, veröffentlichen die Zahlen und kommunizieren, mit welchen Maßnahmen der Senat und die Bundesregierung versuchen, die Verbreitung einzudämmen: dass die Kitas und Schulen geschlossen und die Sprachkurse unterbrochen wurden; dass derzeit keine Asyl-Anhörungen mehr stattfinden. Hier kann man Reden vom Bürgermeister und der Kanzlerin zeitnah mitverfolgen – mit Untertiteln. Hier erfährt man über Kontaktsperren und Bußgelder, und auch, warum sie eingeführt wurden. Auch die Menschen in den arabischen, afghanischen und iranischen Communities wollen das alles wissen.Die Menschen schauen in dieser Situation wie gebannt auf den Nachrichtenfluss in den sozialen Medien. Es ist wichtig, dass sie zwischen sachlicher Information und Falschmeldungen unterscheiden können. Die Amal-Redaktion gibt ihr Bestes, damit das gelingt.

Abbas Al Deiri, 35, aus Syrien

Es ist jetzt gut fünf Jahre her, dass ich zum ersten Mal Fuß auf deutschen Boden gesetzt habe. Damals waren die Tage extrem kurz. Ich bin im Dezember eingereist und wachte morgens früh auf, voller Energie und Enthusiasmus. Der Zufall will es, dass es auch Dezember war, als ich zu Amal, Hamburg! kam. Das ist jetzt fünf Monate her.Es war ein echter Glücksmoment als der Anruf kam, dass ich bei Amal anfangen könne, als einer der beiden arabischen Journalisten, die bei Amal, Hamburg! angestellt sind.Ich bin froh, dass ich nach fünf Jahren des Wartens, in dem ich Sprachkurse machte und ein Masterstudium an der Universität Hamburg aufnahm,  jetzt endlich angekommen bin. Es war immer schon meine Leidenschaft, morgens als erstes die Nachrichten auszuwählen, sie dann zu schreiben und sie so in Form zu bringen, wie es die arabischen Leserinnen und Leser gewohnt sind.Ich lernte schnell, wie bei Amal, Hamburg! die Kurznachrichten gemacht werden: nämlich kurz und schnell. Ich lernte den Vorteil der Zeitumstellung kennen, und genoss es, dass die Tage wieder länger wurden. Dann kam der Corona-Virus. Plötzlich arbeiteten wir alle von zu Hause, und wir arbeiteten viel mehr als eigentlich geplant. Aber es macht mich glücklich, jetzt mit eigenen Augen zu sehen, wie die Zahl unserer Follower auf Facebook rapide wächst; und ich bin glücklich, wenn jemand eine Eilmeldung mit: “Gefällt mir” kommentiert oder noch mehr Informationen zu einem Thema haben möchte.Wer hätte schon gedacht, dass jemand, der vor fünf Jahren als Flüchtling hier angekommen ist, einmal in einem internationalen Team von Journalisten arbeiten würde. Ich bin stolz auf meinen ersten Job als Journalist in diesem Land. Der Beruf ist jetzt meine Familie, und die Redaktion ist jetzt wie eine Familie für mich. Beides liegt mir im Herzen. Amal, Hamburg! ist meine Hoffnung auf ein glückliches Leben in Hamburg.Amal, Hamburg! ist ein Projekt der Evangelischen Journalistenschule und der Körber-Stiftung und wird unterstützt vom Hamburger Abendblatt, der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Schöpflin Stiftung und der Stiftung Mercator. Alle Fotos: Jann Wilcken