Abschiebung nach Afghanistan – Verstoß gegen die Menschenrechte Foto: Ralf Maro / epd
10. Dezember 2019

Abschiebung nach Afghanistan – Verstoß gegen die Menschenrechte

„Jeder hat das Recht, in anderen Ländern Schutz vor Verfolgung zu suchen und zu bekommen“, heißt es in Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Aber für Menschen, deren Asylanträge abgelehnt werden und die dann abgeschoben werden, sind die Menschenrechte oft nur ein ferner Traum.

Die Abgeschobenen kommen aus Ländern, die für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gestimmt haben und sich verpflichtet haben, nach Artikel 14 Schutz zu gewähren. Die Abgeschobenen kehren in ihre vom Krieg zerrissenen Herkunftsländer zurück, wo die Sicherheits- und Wirtschaftslage angespannt ist. Die Chancen sind gering, dort ein Leben gemäß der Standards der Menschenrechte führen zu können. Die Abgeschobenen haben oft keine Perspektive und Zukunft.

Studie zu abgeschobenen Asylbewerbern

Das Institut für Menschenrechte und Demokratie in Afghanistan hat jetzt eine Studie zur Situation der Afghanen nach der erzwungenen Rückkehr aus EU-Ländern vorgelegt. Daraus geht hervor, dass fast alle abgeschobenen Asylbewerber schwere Zeiten erleben. Sie wollten nach Europa, um ein friedliches Leben ohne Gewalt und Krieg beginnen zu können. Doch nach der Abschiebung ist das Leben meist noch schwerer als vor der Flucht.

Die Ergebnisse dieser Studie wurden der Bundesregierung, den Bundestagsabgeordneten und den Medien vorgestellt, sagt Hadi Marifat, Direktor des Instituts für Menschenrechte und Demokratie in Afghanistan, in einem exklusiven Interview mit der Nachrichtenplattform „Amal“. Die Studie wurde zusammen mit Medico International durchgeführt.

„Diese Behauptung ist falsch“

„Für Afghanen ist der Weg bis zur Einwanderung schwer. Wenn sie dann endlich einen sicheren Hafen erreicht haben, werden viele von ihnen wieder in ihre Heimat abgeschoben, seit die afghanischen Regierung und die Europäische Union ein Abkommen unterzeichnet haben“, sagt Marifat. Allein zwischen den Jahren 2015 und 2017 wurden mehr als 19.000 abgelehnte Asylbewerber aus den EU-Mitgliedstaaten gewaltsam nach Afghanistan abgeschoben.

Die afghanische Regierung sagt, dies Abkommen sei für das Land und die Bevölkerung von entscheidender Bedeutung. Ohne dieses Abkommen hätten die Europäer die Entwicklungsprogramme in Afghanistan nicht mehr finanziert. Doch im Text des Abkommens ist nicht davon die Rede, dass die EU-Förderung davon abhängig ist, dass Afghanen aus EU-Mitgliedstaaten abgeschoben werden. Diese Behauptung ist im Grundsatz falsch.

78 Prozent der für die genannte Studie Befragten sagen, mit dem Unterzeichnen des Abkommens habe die Regierung von Afghanistan die Asylbewerber verkauft und die Menschenrechte verletzt. Andere bezeichnen das Abkommen als Verrat. Sie behaupten, die Regierung von Afghanistan gebe falsche Informationen an die EU. Sie verspreche den Flüchtlingen für den Fall der Rückkehr Dinge, die sie dann nicht erfülle. Sie sagen, dass kaum einer der Rückkehrer jemals Hilfe bei der Reintegration, Arbeitssuche oder auf andere Weise erhalten habe.

Flucht vor Krieg, Gewalt und Unsicherheit

Die Studie zeigt auch, dass 78 Prozent der afghanischen Asylsuchenden keine Wirtschaftsflüchtlinge sind. Sie sind vielmehr vor Krieg, Gewalt und Unsicherheit geflohen und haben in den europäischen Ländern Zuflucht gesucht. Andere wollten ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen. Oder sie sind geflohen aus Angst vor den Drohungen, die sie in Afghanistan erhalten haben. Die Behauptung des afghanischen Präsidenten, dass die meisten der afghanischen Asylbewerber Wirtschaftsflüchtlinge seien, sei falsch, so die Studie.

Was erwartet die abgeschobenen Geflüchteten in Afghanistan? Die Ergebnisse des Berichts zeigen, 31 Prozent derjenigen, die den riskanten Weg zur Migration aus Afghanistan in westeuropä­ische Länder eingeschlagen haben, auf dem Weg sterben oder einen Verwandten oder ihre Familie verloren haben.

Abgeschoben: Psychische Krankheiten sind oft die Folge

17 Prozent von ihnen wurden unterwegs von der Grenzpolizei verschiedener Ländern beschossen. 16 Prozent wurden von Menschenhändler-Banden entführt und mussten für ihre Freilassung riesige Summen zahlen.

Diejenigen, die in das Land abgeschoben werden, stehen jedoch wieder vor sehr großen Herausforderungen. Etwa 58 Prozent von ihnen konnten aufgrund der angespannten Sicherheitslage nicht mehr in ihre eigenen Städte zurückkehren.

Viele, die nach Afghanistan abgeschoben wurden, leiden unter chronischen Depressionen oder anderen seelischen Krankheiten. Die psychischen Belastungen sind unter anderem deswegen so groß, weil der normale Alltag zusammengebrochen ist. Viele haben angefangen zu demonstrieren, weil sie mit den Leistungen der Regierung unzufrieden sind. Die Regierung hat viel versprochen, aber nur wenig davon umgesetzt. Manche von den Abgeschobenen sind inzwischen leider bereit, sich terroristischen Gruppen anzuschließen. Sie sind enttäuscht von der afghanischen Regierung und fühlen sich von nationalen und internationalen Menschenrechts-Organisationen nicht beachtet.

Sie wollen sich an der Regierung rächen und verdienen sich ihren Lebensunterhalt, indem sie mit terroristischen Gruppen kämpfen.

Dieser Text entstand als Kooperation zwischen „Amal, Hamburg!“, der Körber-Stiftung, der Evangelischen Journalistenschule und dem Abendblatt.