Neues Medium in der Medienstadt Foto: Jann Wilken

Neues Medium in der Medienstadt

Jetzt ist es soweit: Amal, Hamburg! geht online. Jeden Tag von Montag bis Freitag berichten hier Journalisten aus Syrien, Iran und Afghanistan über alles, was in der Hansestadt los ist. Zielgruppe der neuen Nachrichtenplattform sind vor allem Arabisch und Dari/Farsi sprechende Menschen, also die rund 50.000 Hamburgerinnen und Hamburger mit afghanischen, iranischen und arabischen Wurzeln, die noch in ihren Muttersprachen mehr zu Hause sind als im Deutschen.

Mit Amal, Hamburg! bekommen aber auch die deutschsprachigen Medien an der Elbe ein neues Angebot:  Jede Woche stellen wir hier auf der Webseite die aktuellen Themen von Amal vor. Redaktionen können die Artikel bestellen, auf Wunsch organisieren wir die Übersetzung.

Unseren Themen in dieser Woche finden Sie hier:

Eine neue Brücke für die Stadt

Amal Hamburg ist weitere Brücke für Hamburg. Sie ergänzt die Brücken der Stadt, die auch unter dem Namen Venedig des Nordens bekannt ist. Diese Brücke ist anders als die schon bestehenden: Ihre Aufgabe ist es einerseits, den Neuankömmlingen Nachrichten und Informationen in ihrer Muttersprache zukommen zu lassen, und andererseits, deren Ansichten und Meinungen zu vermitteln, um dazu beizutragen, Kommunikation aufzubauen und für gegenseitiges Verständnis unter allen Zivilisten zu sorgen.“ Mit diesen schönen Worten steckt Abdol Rahman Omaren, Leiter der arabischen Redaktion von Amal, den Weg nach Hamburg ab.

Hamburg – das Tor zu Deutschland

Für Amloud Alamir war Hamburg das Tor zu Deutschland. Unfreiwillig. Eigentlich hatte sie nach ihrer Flucht aus Syrien geplant, zu Verwandten nach Schweden zu ziehen. Aber Schweden schob sie ab, nach den Dublin-Regeln sollte sie in das Land, wo sie als erstes registriert worden war. Und so landete sie an einem unvergesslichen Tag mit ihren zwei kleinen Kindern auf dem Hamburger Flughafen. In ihrer Kolumne erzählt sie, wie sie als Mutter versuchte, ihren Kindern über diese schwierigen Stunden hinweg zu helfen – obwohl ihr selbst zum Heulen war.

Sag mir, für welchen Verein Du bist!

Sport ist an der Elbe das ganz große Thema. Die einen lieben den HSC, die anderen kämpfen für den FC St. Pauli. Die Emotionen branden auf, wenn beide Parteien aufeinander treffen. Anas Khabir hat sich in der arabischen Community umgehört, wie die Menschen dort auf das große Thema reagieren. Wie ein zartes Pflänzchen hat die Sportbegeisterung sich auch dort eingenistet. Aber bis unter den Neu-Hamburgern die Leidenschaft richtig aufblüht, wird es noch eine Weile dauern.

Boxen und Lernen

Mit den Flüchtlingen kamen auch große Talente. Reza Morowat ist so eins. Er boxt sich durchs Leben. Der heute 17-jährige Afghane kam 2015 mit seiner Familie nach Hamburg. Schon vor der Flucht hatte er Spaß am Kampfsport, beim FC St. Pauli fand er dafür den geeigneten Ort – und die Chance, sein Talent im Boxen zu entwickeln. Auch in der Schule ist der Junge prima, Trainer wie Lehrer sind von seinen Leistungen begeistert. Als Reza und seine Familie im Jahr 2017 eine Ablehnung für ihren Asylantrag bekamen, hatten sich seine Lehrer*innen und Mitschüler*innen für sein Bleiberecht eingesetzt, weil sie ihn nicht verlieren wollten. Nilab Langar hat Rezas Geschichte aufgeschrieben.

Als Afghanin im Fußball

Sie war acht, als sie beim Anblick eines Fußballspiels sagte: „Das kann ich auch. Lasst mich mitmachen.“ Als mutiges Mädchen konfrontierte sie eine Gruppe von Jungen mit ihrem Willen: „Ich habe das Recht, Fußball zu spielen – auch wenn ich eine Frau bin.“ Gleich beim ersten Spiel war sie total begeistert. Heute ist Shabnan Ruhin 22 und spielt zusammen mit ihrer Schwester für ESV Einigkeit, einen Traditionsverein in Wilhelmsburg – und bis vor kurzem auch für die afghanische Damen-Nationalmannschaft. Omid Rezaee hat die Spitzensportlerin porträtiert. „In unserer Gesellschaft gibt es nur wenige Frauen, die trainieren“, sagt sie. „Und wenn, dann nicht in Männersportarten wie Fußball. Ich wollte mich der Welt als Frau beweisen. Und auch den Afghanen.“

Erziehung zwischen den Kulturen

Wer als Muslim in Deutschland aufwächst, lebt meist zwischen den Kulturen. Auf der einen Seite ist die Familie mit ihren Werten und Traditionen – und auf der anderen Seite sind die Lehrer, die Mitschüler, denen ganz andere Dinge wichtig sind. Ahmad Alrifaee hat einen Vortrag des Islamwissenschaftlers Jens Leuthoff besucht, der sich diesem Thema wissenschaftlich nähert.

Sprachen lernt man durch Sprechen

Ganz neu ist das Café Nova auf der Veddel inzwischen nicht mehr – es ist eins von vielen Projekten, die um 2014/2015 entstanden. „Willkommen“ steht in vielen Sprachen an der Wand. Dies Wort ist Programm: Seit bald fünf Jahren schaffen hier Menschen aus vielen Ländern Gemeinschaft. Aus der Aufbruchsituation der Anfangszeit ist ein geliebtes Stück Alltag geworden. Omid Rezaee hat das Sprach-Café in Nova besucht, wo Lernen immer auch mit Kennen-Lernen verbunden ist und der Spracherwerb als Mittel der Kommunikation funktioniert – und nicht als bloßes Vokabel-Pauken und Grammatik-Studieren.

Eis, das nach Heimat schmeckt

Spitzenqualität auf ganz anderer Ebene bietet das afghanische Restaurant Chopan Kebab. Nicht nur das Essen ist köstlich. Berühmt ist das Eis, das traditionelle Schiriach. Aus ganz Deutschland, ja sogar aus ganz Europa kommen die Kunden hierher, um den Geschmack der Heimat auf der Zunge zu haben. Hajji Abdelfattah hat das Restaurant 2011 eröffnet und ist stolz auf den großartigen Erfolg. Dawod Adil hat den Laden besucht und sich bei den Kunden umgehört.

Zu Besuch bei einem Teppichhändler

Hamburg ist einer der größten Umschlagplätze für Perserteppiche, Noorullah Rahmani hat den Händler Abdelrahman Sinaie besucht. Der Afghane, der 2001 nach Deutschland kam, verkauft heute vor allem türkische und iranische Teppiche, die von Maschinen geknüpft und deutlich preiswerter sind als die kostbaren Handarbeiten aus Afghanistan. Teppiche aus Afghanistan kommen meist auf dem Umweg über Pakistan nach Deutschland. Dort werden sie gewaschen und verpackt, was für den Export unverzichtbar ist.

Privatsphäre gibt es nicht

„Ab jetzt bist du wie mein Bruder, sagte ich zu meinem Mann. Und zwar solange, bis wir eine Wohnung gefunden haben, in die wir mit unseren Kindern einziehen können“, antwortet Umm Habib auf die Frage nach der Privatsphäre von Frauen in einer der Flüchtlingsheime in Hamburg. Raghad al Bunni hat Frauen, die in den Notunterkünften leben, nach ihrem Privatleben gefragt. Der Tenor der Antworten: Privatsphäre gibt es nicht, das Familienleben findet unter sehr erschwerten Bedingungen statt.

Tut mir leid“

Aber an der Situation etwas zu ändern ist fast unmöglich. Der Wohnungsmarkt ist wie leergefegt, vor allem große Familien nichtdeutscher Herkunft haben es schwer. Asmaa Yousuf hat sich in Hamburg umgehört. „Tut mir leid“, hören die Wohnungssuchenden immer wieder. Mal ist die Wohnung zu klein, um den Vorgaben des Amtes zu genügen, mal passt dem Vermieter das Kopftuch nicht, ein andermal lehnt er pauschal alle ab, die Geld vom Jobcenter beziehen. Und dann sind da die Makler, die mit falschen Versprechungen den Verzweifelten viel Geld aus der Tasche ziehen.

Foto: Jann Wilken