Es gibt kein vielleicht! Foto: Thomas Fähnrich

Es gibt kein vielleicht!

Fast vier Jahre ist es her, da fuhren wir mit unserer Lehrerin nach Köln. Wir waren eine Gruppe mit Kindern, die alle nach Deutschland geflohen waren und unsere Lehrerin hatte uns eine Überraschung versprochen. Wir gingen zusammen ins Stadion des 1. FC Köln und in der Pause standen wir plötzlich vor Bundeskanzlerin Angela Merkel! Sie begrüßte uns herzlich und zeigte ihr schönes Lächeln. Sie diskutierte sehr ernsthaft mit uns über unsere kleine Gedanken. Dann machten wir Erinnerungsfotos. Als ich nach Hause unterwegs war, rief ich meine Eltern an und erzählte ihnen von dieser Begegnung. Mein Vater und meine Mutter sind beide Schriftsteller. Wir sind 2015 aus Libyen geflohen. Meine Mutter gratulierte mir zu der Begegnung und sagte: „Was für ein Glück! Vielleicht wirst Du auch einmal Politikerin!“ Seit dem steht es für mich fest. Es gibt da kein vielleicht!

Menschlicher Schmerz!

Die meisten Mädchen, die wie ich zwischen 15 und 18 sind, interessieren sich mehr für Mode, laute Musik, Spiele, Apps wie TikTok etc. Wie kommt es dann, dass ich mir Politik ausgesucht habe? Da spielt sicherlich meine Herkunft eine Rolle: Das leiden der Menschen in Libyen beschäftigt mich. Ich hoffe, dass ich etwas tun kann, ihr Leiden zu mindern. Ich gebe zu, dass auch ich mich für Musik interessiere (Ganz besonders alte Sachen aus den 80er und 90er Jahren) und Mode, ja, dafür interessiere ich mich auch und ich arbeite an meinem Vintage-Outfit. Aber das hindert mich nicht daran, mich auch für Politik und zu interessieren und mich zu engagieren. Die Schmerzen und die Schreie der Menschen in Not bringen mich dazu.

Politik auf der ganzen Welt!

Und überhaupt: Man kann sich nicht von Politik fernhalten, denn sie ist überall. Da ist es ganz „wurscht“, um was für ein Problem es geht: Immer sind es Politiker und Politikerinnen, die sich mit den Problemen beschäftigen und was dabei herauskommt, können wir dann im TV sehen.

Ich habe mich aber auch für die Politik entschieden, weil ich sehr gerne diskutiere. Beispielsweise über Themen haben wie Kinderschutz, Migration/Integration, Extremismus-Prävention und vieles mehr. Diese Themen kann ich nicht nur im politischen Rahmen diskutieren, sondern überall. Der politische Alltag beginnt schon morgens. Ich schaue Tagesschau und abends sehe ich mir gerne Talkshows mit Politikern und Politikerinnen an. Ich sammle ständig neue Informationen und Argumente.

An manchen Tagen kommt man von TV gar nicht mehr weg: Ich erinnere mich an den Tag des Sturms auf das Capitol in den USA und auch an den Wahlkampf von Donald Trump. Auch die Überschwemmungskatastrophe hier bei uns in Nordrhein Westphalen in diesem Sommer war so ein Ereignis. Da haben wir die schrecklichen Bilder gesehen und dann habe ich mich mit meiner Mutter in die Küche gestellt und wir haben später den Betroffenen Essen gebracht.

Kurz darauf verfolgten wir die Ereignisse in Afghanistan. Die Bilder vom Einzug der Taliban in Kabul und von den verzweifelten Menschen, die sich an Flugzeugen festklammerten, um Afghanistan zu verlassen und dann in den Tod stürzten.

Angela Merkel ist das Vorbild

Was mich aber am allermeisten beschäftigt, ist der Abschied von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wie wird Deutschland nach ihr sein? Und wie verändert sich die Welt? Die Weisheit tritt ab und mit der Kanzlerin verschwindet auch dieses ganz besondere maßvolle Charisma, das sie auszeichnet. Ich bin in Trauer. Frau Merkel ist verschwunden, allerdings hat sie die Tür hinter sich nicht zu gemacht, sondern offen gelassen. Sie hat Deutschland groß gemacht und sie hat Deutschland ein großartiges menschliches Gesicht gegeben, als sie uns Flüchtlinge aufgenommen hat. Sie hat die Migranten aufgenommen, sie beschützt und bewahrt vor dem Tod. Nun tritt sie ab, ohne dass sie besiegt wurde. Sie geht und es ist wie eine Aufforderung, ihrem Beispiel zu folgen.

Natürlich ist es nicht so einfach. Zunächst muss man einer Partei beitreten. Das habe ich jetzt erledigt und es fiel mir nicht schwer, die richtige Partei auszusuchen. Die CDU ist es geworden, nicht nur wegen der Kanzlerin, auch weil ich die konservativen Inhalte richtig finde. Also, rief ich im Parteibüro an und bekam gleich einen Termin. Zwei Stunden sprachen wir und ich erkläre dort meine große Leidenschaft für Politik. Das überzeugte und ich wurde als Mitglied aufgenommen. Aufnahmeformular und Mitgliedsbeitrag. Das ging schnell und einfach. Zum Abschied zeigte ich noch das Foto von meiner Begegnung mit Frau Merkel im Fußballstadion. Das begeisterte die Anwesenden.

Nur zwei Tage später war ich bei der Versammlung der neuen Mitglieder und es wurde heiß diskutiert. Es waren sogar einige der Kandidaten zur Bundestagswahl dabei. Ich muss zugeben, dass meine hohen Erwartungen an meine Partei und das politische Leben nicht enttäuscht wurden. Ich fühle mich willkommen und geborgen. Wie in einer großen Familie. Ich stürzte mich in den Wahlkampf, ich verteilte Flugblätter und hatte viel Gelegenheit zu diskutieren. Ich werde mich sicherlich an diese Erfahrung erinnern, wenn ich dann selbst Kandidatin bin.

Noch bin ich ganz neu in der Partei und haben einmal meine Vorschläge formuliert. Ich denke, dass es wichtig ist, dass auch Migrantinnen und Migranten in der deutschen Politik vorkommen. Die Parteien müssen sie wahrnehmen und die, die bereits ihren deutschen pass haben, sollten auch wählen gehen. Wir müssen also dafür sorgen, dass sie sich angesprochen und als Deutsche fühlen und nicht ausgeschlossen und vernachlässigt. Wir müssen ihnen helfen, dass sie ihre Fähigkeiten und Talente stärken. Dabei spielt natürlich Bildung und der Zugang zu Schulen und Universitäten eine wichtige Rolle.

Wichtig ist mir auch, Kindern und Jugendlichen zu helfen, die Opfer von Mobbing und Missbrauch werden. Wir müssen Vorschläge austauschen, wie diese Kinder und Jugendliche ein normales Leben führen können und in Zukunft nicht an psychischen Erkrankungen leiden.

Gemeinsames Lächeln!

Politik machen bedeutet auch, dass man viel lesen muss. Das habe ich schon immer gerne getan. Um meine Partei zu unterstützen und sie erfolgreich zu machen, muss ich gut informiert und vorbereitet sein. Also lese ich zu Themen wie Wirtschaft, Steuern Digitalisierung, Klimaschutz, Technologie, Bildung und auch über alles, was im Corona zu tun hat. Warum ist es so wichtig, sich impfen zu lassen? Ich habe meine Rolle gefunden und die Partei hat mir erlaubt, die Positionen für die Menschen mit Migrationshintergrund und ganz besonders die aus arabischen Ländern zu erklären. Meine Sprachkenntnisse kommen mir zu Gute: Ich kann Arabisch und Deutsch und Koreanisch. Und dann kann ich noch eine Sprachen und diese beherrsche ich so, dass mich wirklich alle verstehen. Es ist auch das, was mein Vorbild die scheidenden Bundeskanzlerin so besonders schön kann, um andere zu erreichen: Lächeln!

Muhja Alasfir (Schülerin aus Bonn)