Photo: Diya Annan

Die syrische Nacht

Literatur ist oft besonders gut geeignet, um Menschen über Grenzen und Kulturen hinweg miteinander zu verbinden. So ist der Roman „Die syrische Nacht“ von Diya Annan ein Buch, das deutsche Leser*innen an die Hand nimmt und hineinzieht in das Syrien vor 2011. Samer Masouh hat mit dem Autor gesprochen.

Sie sollen bitte nicht spoilern, aber könnten Sie uns einen kleinen Vorgeschmack geben: Worum geht es in Ihrem Roman?

Die Geschichte spielt in der Stadt Qadaha, dem Geburtsort des syrischen Präsidenten. Sie handelt von einer Familie: Der Vater ist Sunnit und die Mutter kommt aus einer alawitischen Familie, aus der Verwandtschaft des Präsidenten, um genau zu sein. Die beiden haben sich bei ihrem Medizinstudium in Deutschland kennengelernt und sind dann nach Syrien zurückgekehrt. 25 Jahre lang leben sie in großer Zufriedenheit und Harmonie. Sie haben zwei Kinder: Ali und Suzanna. Im ganzen Ort gelten sie als Vorbild einer glücklichen Familie. Ali verliebt sich in ein christliches Mädchen und niemand hat gegen diese Verbindung etwas einzuwenden. Im Gegenteil, die Familie ermutigt das Paar. Sie sind offen und tolerant und würden allen helfen, die an ihre Tür klopfen, egal, zu welcher ethnischen oder konfessionellen Gruppe sie gehören. Allerdings gilt dies nicht für alle Teile der Familie und insbesondere im alawitischen Zweig gibt es einen Onkel, der von Anfang an gegen die Verbindung war. Solange der Vater der Mutter lebt, hält er still. Als dieser stirbt, brechen die Konflikte auf. Mehr will ich hier nicht sagen, schließlich will ich den Lesern nicht die Freude an meinem Buch verderben.

Wieso heißt das Buch „Syrische Nacht“ und wie kam es dazu, dass Sie es geschrieben haben?

Die dunkle Nacht verbirgt vieles. Sie verbirgt mysteriöses und Ungeheuerliches. Einmal, als ich mit dem Bus von Damaskus in mein Dorf in der Nähe von Idlib reiste, kamen wir an einer schwarzen Limousine vorbei. Die Scheiben waren getönt und man konnte nicht hineinsehen. Plötzlich sahen wir eine bewaffnete Person. Sie richtete ihr Gewehr auf den Busfahrer und zwang ihn, den Bus zu stoppen. Sie zerrten ihn aus dem Bus und verprügelten und beschimpften ihn. Ich muss oft daran zurückdenken in jener Nacht, um die es geht. Damals hörten wir viel von den Willkürtaten des syrischen Regimes. Zum Beispiel die Verwicklung in die Ermordung des libanesischen Präsidenten Rafik Hariri. Dann verschlechterte sich die Lage auch in Syrien zunehmend und so traf ich eines Nachts die Entscheidung. Ich ging zur Schule in unserem Ort und schrieb „Nieder mit Baschar“ an die Wand. Am nächsten Morgen kamen die Sicherheitskräfte und verhörten die Lehrer und Schüler auf brutalste Art. Ich hatte nicht den Mut, die Verantwortung zu übernehmen, aber das ist der Grund, weshalb ich das Buch geschrieben habe.

Warum haben sie das Buch auf Deutsch geschrieben?

Ich habe es auf Deutsch geschrieben, weil ich in Deutschland lebe und festgestellt habe, dass die Deutschen zu wenig über Syrien wissen. Deutschland ist das einflussreichste Land der EU und wenn man die öffentliche Meinung verändern möchte, muss man hier ansetzen. Mein Ziel ist es, eine demokratische Partei zu gründe, die von Deutschland unterstützt wird. Sie soll die Reform im Mutterland voranbringen.

Soll es eine arabische Übersetzung geben?

Nein, das ist nicht geplant. Es soll vielmehr Übersetzungen in verschiedene europäische Sprachen geben. Natürlich freue ich mich, wenn mein buch auch von syrischen und arabischen Intellektuellen gelesen wird, aber mein Hauptziel ist, die europäischen Leser zu erreichen. Sie sollen wissen, dass es unter uns normalen Syrern immer ein gutes Verhältnis gab zwischen den verschiedenen Konfessionen und Gruppen. Die, die uns gespalten haben, sind die an der Spitze der Pyramide: Das Regime.

Es sei erwähnt, dass der Autor Diya Annan 1985 in der Nähe von Idlib geboren wurde. Er studierte englische Literatur, arbeitete als Touristenführer und migrierte 2015 nach Berlin. Sein Buch kann man hier bestellen.