20. Februar 2023

Es gibt Momente, da kann man nur noch schwarz posten

Es liegt nicht daran, dass wir keinen Zugang zu aktuellen Bildern hatten. Wir haben Zugriff auf das Angebot großer Agenturen wie DPA und EPD. Es war vielmehr der Überfluss an schrecklichen Bildern und das Fehlen der passende Worte, was uns am Montag morgen dazu brachte, das Bild zu posten, das diesem Newsletter als Titelbild dient. Angesichts der Katastrophe im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien, angesichts des Leids der vielen Menschen, die dort als Flüchtlinge aus anderen Teilen Syriens Zuflucht gefunden haben oder als Alteingesessene in den letzten Jahren zusammenrutschen mussten, um Platz für die Hilfesuchenden zu machen – was kann man da sagen und schreiben? Ein schwarzes Bild zu posten, ist nicht journalistisch, das wissen wir. Angesichts der Katastrophe ist es jedoch ein sehr passender, angemessener Beitrag. Insbesondere für unsere Leser:innen, die ja zum überwiegenden Teil nicht in Syrien oder in der Flüchtlingsgebieten, sondern in Deutschland leben.

Das Erdbeben hat auch sie heftig erschüttert. Entsetzen angesichts der Bilder der Zerstörung gemischt mit der großen Sorge, was mit Angehörigen passiert ist. In den Sozialen-Medien wurden in den vergangenen Tagen Fotos von Familienangehörigen und Freunden mit verzweifelten Nachrichten geteilt: “Hat jemand meinen Bruder gesehen. Er beantwortet sein Telefon nicht” und: “Meine Schwester und ihre Kinder – weiß jemand, wo sie sind?”, Das schreckliche Gefühl der Unsicherheit mischt sich mit lähmender Hilflosigkeit.

Was hilft – Wer hilft?

Diese Fragen haben wir uns in der Redaktion gestellt. Zugegeben, auch das ist keine journalistische Herangehensweise, wie sie in den Lehrbüchern steht oder an den Journalistenschulen vermittelt wird. Schließlich sind wir Berichterstatter:innen und keine Sozialarbeiter:innen. Oder doch? Vielleicht ein bisschen? Schließlich ist unser Slogan: Unsere Nachrichten – Eure Nachrichten.

In diesen Tagen suchen viele eine Möglichkeit, den Menschen in Not zu helfen. Spenden sammeln ist ein Weg. Über das Entsetzen sprechen ein anderer. Also hat sich unser Team auf den Weg gemacht: Hamza Qabbani hat eine Fotoreportage von den Sammelstellen syrischer Organisationen in Berlin gemacht. Anas Khabir arbeitet derzeit an einer Straßenumfrage: “Was wollt ihr den Menschen im Erdbebengebiet sagen!”, lautet die Frage, die er den Menschen stellt.

Dauerkatastrophe

Das Gebiet zwischen der Türkei und Syrien ist nicht die einzige Grenzregion, an der sich in diesen Tagen eine Katastrophe ereignet. Mehrere unserer Reporterinnen waren in den letzten Wochen an den Außengrenzen Europas unterwegs. Sie haben Flüchtlingslager besucht und mit Menschen gesprochen, die in Verstecken leben und immer und immer wieder versuchen, die Festung Europa zu erreichen.  “Da waren viele, die Hundebisse hatten oder gebrochene Arme oder Beine. Trotzdem bleiben sie dort und warten auf die nächste Chance, die Grenze zu überwinden”, beschreibt Amloud Alamir. Sie sichtet derzeit ihr Material und wir werden an dieser Stelle darauf hinweisen, wann und wo ihre Videos zu sehen sind.
Hier geht es schon einmal zu einem zu einem Artikel von Aora Helmzadeh zur Situation an den Rändern Europas.

Natürlich gilt auch für dieses Thema: Wir übersetzen gerne diesen oder andere Texte ins Deutsche oder schreiben auch einen “frischen” Kommentar oder eine Reportage so, dass sie zu Ihrem Medium passt. Der spezielle Amal-Blick auf die Katastrophen unserer Zeit eröffnet eine wichtige Perspektive, die sonst fehlt.

Europa im Flüchtlingscheck

Eine ganz besondere Perspektive eröffnet auch die neue Serie von Nataliia Yakymovych. Unter dem Titel “Irland-Deutschland 1:1” hat sie zwei Frauen interviewt, die ihre aktuelle Lebenssituation beschreiben. Verglichen werden die Lebensbedingungen von geflüchteten Frauen mit Kindern in Deutschland und Irland. Als Bewertungskriterien werden hier nicht nur die Formen der Unterbringung, Sozialleistungen und der Zugang zu Arbeitsmarkt und Sprachangeboten verglichen. Es geht auch um die Freundlichkeit der Menschen, die Schönheit der Landschaft und Städte und die Work-Life-Balance der Menschen um sie herum.

Kommt Ihnen das komisch vor? Stellt sich Ihnen gerade die Frage, ob bei diesem “Ranking” der europäischen Hilfsbereitschaft so etwas wie Undankbarkeit der Geflüchteten mitschwingt? Seien sie beruhigt: Tatsächlich ist der Ansatz voller Anerkennung und Dankbarkeit. Diese wird nicht nur von den Befragten betont. Angesichts vieler Probleme und vieler Klagen, die derzeit von den Geflüchteten aus der Ukraine geäußert werden, ist den Befragten und der Redaktion ein Anliegen, daran zu erinnern, dass es trotz allem ganz gut läuft und viele der Geflüchteten im vergangenen Jahr Aufnahme und auch eine Perspektive gefunden haben.

Ganz nebenbei werden hier die Fluchtgeschichten sehr unterschiedlicher Frauen erzählt: Was ist ihnen widerfahren und wie kamen sie dazu, ausgerechnet dorthin zu flüchten, wo sie heute leben?

Interessant ist, dass beide betonen, dass ihr Leben und das der Menschen in ihrer neuen Umgebung viel entspannter ist ihr früheres Leben in der Ukraine. “Hier kann man sich auch einmal die Zeit nehmen, darüber nachzudenken, welchen Weg man im Leben gehen möchte und vielleicht einen neuen Beruf zu suchen. Diese Chance hatte ich in der Ukraine leider nie”, so die Frau, die nach Deutschland geflohen ist. Die Protagonistin, die in Irland lebt sagt: “Die Menschen bewahren eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschen überarbeitet oder gestresst sind. Das ist eine gute neue Erfahrung für mich”.
So etwas können nur Menschen beobachten, die neu angekommen sind.

Hier geht es zum Text auf Ukrainisch.

Hilfe, meine Kinder werden total TikTok

Es gibt Themen, über die sich Eltern Sorgen machen, egal, aus welchem Land sie kommen und welche Sprache sie sprechen. Nummer eins auf der Liste der Themen ist mit großem Abstand die Nutzung von Handy und Social-Media. “Was kann ich machen, wenn meine Kinder zu viel am Handy sind? Wann ist es Sucht? Was kann ich dagegen tun?” Diese Fragen hat Anas Khabir dem bekannten Kinderpsychologen Basel Allozy gestellt und ein praktisches Erklärvideo darüber produziert.

Video Anas Khabir

Berlin hat die Wahl und wir sind dabei

Bei Amal, Berlin! finden Sie in diesen und den nächsten Tagen alles rund um den Wahlkampf zur Wiederholungswahl. Ähnlich wie in der Gesamtbevölkerung ist auch in unserer Zielgruppe das Interesse eher mäßig. Zugleich ist allen klar: Wenn zu wenige Menschen wählen, könnte das Wahlergebnis zu einer Überraschung werden. So wendet sich Noorullah Rahmani mit einem dringenden Appell an seine Leser:innen aus Afghanistan, die wie er selbst die deutsche Staatsbürgerschaft haben. “Auch wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie mit Ihrer Stimme wenig verändern können. Wenn wir nicht wählen, könnte es schlimme Folgen haben!”, so seine Botschaft.

Bilder: Amal,  Thomas Lohnes (epd), Anas Khabir

Amal berichtet auf Arabisch, Farsi/Dari und Ukrainisch über alles, was in Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main wichtig ist. Gerne übersetzen wir einzelne Artikel auch ins Deutsche und stellen sie Redaktionen gegen Honorar zur Verfügung.
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