Wir sind (auch) Brandenburg
19. September 2024

Wir sind (auch) Brandenburg

Alle Augen sind auf Brandenburg gerichtet: Wie werden sich die Wähler:innen entscheiden? Wie geht es weiter im ländlichen Raum rund um Berlin? Das interessiert uns natürlich auch und zum Glück haben wir es ja nicht so weit. In den vergangenen Wochen waren wir besonders viel in den Städten und Dörfern Brandenburgs unterwegs. Hier wohnen auch viele von unseren Leser:innen. Und viele fragen sich, ob sie angesichts der politischen Stimmung überhaupt noch eine Zukunft in Brandenburg haben. Macht es für sie Sinn, sich für eine Gesellschaft zu engagieren, die sie – zumindest zum Teil – nicht haben will? Sollten sich unter diesen Bedingungen Neu-Eingebürgerte überhaupt an den Wahlen beteiligen? Wir beantworten beide Frage ganz klar mit Ja und haben auf unseren Recherchetouren Menschen getroffen, die zeigen, wie es gehen kann. In diesem Newsletter stellen wir die Highlights unserer Brandenburg-Wahl-Berichterstattung von.

Wir räumen auf und bekommen einen muslimischen Friedhof

Die Gemeinschaft der Afghanin:innen von Herzberg kennen viele von Ihnen schon, denn wir sind regelmäßig dort zu Gast. In der Unterkunft von Herzberg verbringen viele Afghan:innen ihre ersten Monate in Deutschland. Viele siedeln sich auch nach dem Aufnahmeverfahren dort an, andere kommen immer wieder zu Besuch. Natürlich war Herzberg eine Station auf unserer Wahl-Tour. Diesmal stellt uns Dawod Adil ein ganz besonderes Projekt vor: Eine Gruppe von Afghan:innen störte sich an der Verschmutzung der Stadt und traf sich zu einer Müllsammelaktion. Die gleiche Gruppe steht auch in Verhandlungen mit der evangelischen Kirchengemeinde und der Stadtverwaltung, um endlich ein muslimisches Gräberfeld in Herzberg einrichten zu können. Nicht immer zahlt sich ehrenamtliches Engagement so direkt aus. Das Beispiel zeigt, dass Zusammenleben ein Geben und Nehmen ist. Hier geht es zum Video mit deutschen Untertiteln:

Video Dawod Adil

Zu Besuch In Forst. Porträt eines Ortes

Wie lebt es sich in einer mittelkleinen Gemeinde in der Lausitz, wenn man aus Afghanistan geflohen ist? Kann man hier Wie richtete man sich ein? Wie funktioniert Integration? Das lässt sich im Gespräch mit den einzelnen Menschen verstehen. Richtig nachvollziehen kann man es erst, wenn man den Kontext betrachtet.  Deswegen ist ein Team von Amal, Hamburg! Nach Forst in der Lausitz gereist. Dort wohnt eine afghanische Journalistin, die uns Türen geöffnet und interessante Protagonisten vorgestellt hat. So ist eine Serie von Porträts und Reportagen entstanden, die jede für sich steht. Zugleich ergeben sie zusammengesetzt als Mosaik einen Eindruck von der Lage in Forst.

                                                                                                                     Amal-Team in Forst

Lücken schließen

Hier geht es zum Video, das Nilab Langer und Dawod Adil über die afghanischen Betreiber eines Dönerladens gemacht haben.  Es ist eines der wenigen noch verbliebenen Restaurants in Forst und sie schließen auch noch eine andere Lücke: Sie trainieren eine Jungenmannschaft im Kampfsport.
Video von Dawod Adil und Nilab Langer

Eigentlich läuft es ganz gut

Hier geht es zum Interview mit der Integrationsbeauftragten des Kreises Spree-Neiße. Annett Noack beschreibt, dass trotz aller negativer Berichte, die im Wahlkampf so eine große Rolle spielen, eigentlich ganz gut läuft. Hier geht es zum Interview in arabischer Übersetzung.

Besuch an der Grenze

Forst ist nicht weit von der deutsch-polnischen Grenze entfernt. Es ist eine der Grenzen, die in der aktuellen Diskussion im Fokus stehen. Natürlich wollte das Team einmal nachgucken, wie es dort aussieht.

Amal-Team an der Grenze

Erfolg ist erst der Anfang

Der jemenitische Arzt Abdel-Ghani Al-Farzai lebt und praktiziert in Henningsdorf. Samah al Shagdhari hat mit ihm über seinen stressigen Alltag gesprochen: Neben seiner Klinik-Stelle in der Chirurgie, arbeitet er als Forensiker für die Berliner Polizei und springt am Wochenende in der Notaufnahme ein. Al-Farzai spielt für die jemenitische Gemeinde in Brandenburg eine wichtige Rolle und engagiert sich für ihre Belange. Er versucht zu erklären, wieso im Moment so viele seiner Nachbarn die AfD für die beste Partei halten. „Sie haben das Gefühl, dass dies die einzige Partei ist, die sich für ihre Belange interessiert“. Was hilft dagegen? Da hat er eine klare Botschaft an die jemenitische Community: Wir müssen uns engagieren und positiv in die Gesellschaft einbringen. Wie schafft er das alles und wieso kommt er nicht langsam zur Ruhe? Er ist doch längst integriert. Das liegt an seinem Lebensmotto, erklärt er unserer Reporterin: „Erfolg ist nicht das Ende, sondern der Beginn einer kontinuierlichen Reise des Lernens und der Entwicklung! Hier geht es zum Artikel auf Arabisch. Hier geht es zu einem Insta-Reel.

Flüchtlinge sind keine anonyme Masse

Viel ist davon die Rede, dass wir die Grenzen schließen und den Zuzug begrenzen sollen. Wer ist das eigentlich, der da über die Grenze will.

Amloud Alamir hat mit einem jungen Mann aus dem Sudan gesprochen. Er erzählt, wieso er gekommen ist und was er auf der Flucht durchgemacht hat. Die Begegnung mit ihm stellte unsere Reporterin vor ein Problem. Sie hatte zuvor gesehen, wie die Bedingungen in der Erstaufnahme für neuankommende Geflüchtete in Eisenhüttenstadt sind und war entsetzt. Als ihr Interviewpartner ihr dann erzählte, wie dankbar er sei, in einer so schönen Unterkunft gelandet zu sein, musste sie ihre Bewertung neu ausbalancieren. Es ist immer eine Frage der Perspektive.

Video von Amloud Alamir

Eine Familie

Dawod Adil hat eine Familie aus Afghanistan interviewt. Sie berichten, warum sie ihr Land verlassen mussten und wir gefährlich ihre Reise war. Sie gehören zu denen, die über Belarus und Polen nach Deutschland gekommen sind.

Video von Nilab Langer und Dawod Adil

Warum machen wir das alles?

Wir berichten jeden Tag über alles, was die Politik und die Gesellschaft in Deutschland bewegt und wir machen uns Sorgen. So haben wir überlegt, welchen Beitrag wir leisten können, um die Demokratie zu stärken und den politischen Diskurs zu verbessern; zumindest ein bisschen. Wir haben beschlossen, uns einzumischen: Wir wollen ein realistisches Bild des Zusammenlebens zeigen und damit der rechten Stimmungsmache etwas entgegensetzen: Es gibt Probleme, ja! Es gibt aber auch einen Alltag, der ganz gut läuft.  Vor allem wollen wir aber unsere Zielgruppe motivieren, sich zu engagieren und mitzumachen.

Wie das gehen kann, zeigt ein Workshop von der AWO, den unser Reporter Anas Khabir in Potsdam besucht hat. „Viele Syrer haben aus ihrer Heimat Angst, über Politik zu sprechen“, sagt eine der Teilnehmenden. Das soll sich ändern. „Es geht darum, Menschen, die neu ihr Wahlrecht bekommen haben, es auch zu nutzen“, so Manal Atallah, die den Workshop leitet. Hier geht es zum Video mit deutschen Untertiteln:

Video Anas Khabir

In unserem Namen?

Auch in der afghanischen Community gibt es inzwischen viele, die wählen dürfen. Gerade hier gibt es aber derzeit eine große Müdigkeit, was die Unterstützung der deutschen Politik angeht. Erst der abrupte Rückzug der Bundeswehr, dann die schleppend anlaufende Evakuierung der Ortskräfte und dann das Gefühl, dass Flüchtlinge aus der Ukraine immer bevorzugt werden, wenn es um Aufnahme und Unterbringung geht. Viele beobachten nun mit Angst, wie der Taliban-Einfluss in Europa und auch in Deutschland wieder wächst. Der Abschiebeflug nach Kabul Ende August und vor allem die Befürchtung, dass die Bundesregierung trotz aller Beteuerungen doch direkte Verhandlungen mit der Taliban-Regierung führen könnte, um mehr Abschiebungen möglich zu machen, löst bei vielen Panik aus.  Wozu also wählen? Damit das alles auch in ihrem Namen geschieht?

Hier geht es zum Artikel auf Dari.

Politik geht uns an: Ob wir uns dafür interessieren oder nicht

Nana Morozova hat sich mit einer ähnlichen Diskussion in der ukrainischen Community beschäftigt. Sie war in Potsdam und hat sich dort mit dem ukrainischen Aktivisten Volodymyr Kokhan getroffen. Er macht sich Sorgen, was aus „seinem“ freundlich, weltoffenen Potsdam werden soll, wenn die AfD die Wahlen gewinnt. Auch eine Koalitionsregierung unter Einbeziehung des BSW könnte für die Ukrainer:innen in Brandenburg negative Auswirkungen haben. Also nahm er Kontakt zu lokalen Politiker:innen auf und unterstützt den Wahlkampf der moderaten Parteien. Die Lage der ukrainischen Community ist ganz anders als die der Syrer:innen und Afghan:innen. Nur sehr wenige der ukrainischen Flüchtlinge dürfen mitwählen. Dementsprechend schwerer ist es, die ukrainische Community für politische Themen zu interessieren. Das merkt nicht nur Volodymyr Kokhan; das sehen auch wir an unseren Klickzahlen. Umso wichtiger ist es, interessante Geschichten zu erzählen. Hier geht es zum Artikel auf Deutsch.

Darka Gorova ist nach Frankfurt an der Oder gereist und berichtete über besondere Angebote für die ukrainische Community dort.
Hier geht es zu einem Bericht über ukrainische Studierende an der Uni von Frankfurt/Oder. Die Viadrina bietet einen Studiengang Ukraine-Studien an. Wissen über die Geschichte und die Ereignisse, die zum Angriff Russlands geführt haben, sind wichtig, um Akzeptanz für die Aufnahme von Geflüchteten zu erzielen.

Danke!

Die Brandenburgberichterstattung wurde möglich, weil wir seit vielen Jahren von der EKBO gefördert werden. Zusätzlich haben wir in diesem Sommer Mittel der Schöpflin Stiftung bekommen und wurden vom Fond Vereint für Demokratie gefördert.

Ankündigung:

Wenn Sie Lust haben, mit dem Team von Amal, Frankfurt! ins Gespräch zu kommen, merken Sie sich schon einmal den 26. September vor. Im Rahmen der interkulturellen Woche laden wir zur Diskussion ein: „Was muss ich tun, um Teil der Gesellschaft in Deutschland zu werden?“ lautet der Titel. Sie merken schon: Es wurde der Begriff „Integration“ vermieden und wir haben auch darauf verzichtet, von der „deutschen Gesellschaft“ zu sprechen…

wir würden uns freuen, wenn Sie dabei sind!

26.September 18 Uhr im

stadtRAUMfrankfurt

Mainzer Landstraße 293, 60326 Frankfurt am Main

Hier geht es zum Programm der Interkulturellen Woche

Viele Grüße vom Amal-Team
Foto: Dawod Adil, Anas Khabir, Amloud Alamir, Privat